Eröffnung des Informations- und Begegnungszentrums
in Fachsenfeld im Dezember 2011
Seit 1980 hat die Patenstadt Aalen den Wischauern im Alten Rathaus in der Innenstadt die Möglichkeit gegeben, in einer kleinen Ausstellung Stücke aus der alten Heimat zu zeigen. Die Räumlichkeiten im Alten Rathaus wurden nun aber anderweitig benötigt und so stellte die Stadt Aalen der Gemeinschaft Wischauer Sprachinsel ab 2011 zwei ehemalige Klassenzimmer in der Alten Schule in Aalen-Fachsenfeld zur Verfügung. Nach der Zusage der Stadt packten die Wischauer fest an und haben in vielen ehrenamtlichen Stunden etwas Bleibendes für die Zukunft geschaffen - einen Mittelpunkt für alle Wischauer im In- und Ausland. Das Informations- und Begegnungszentrum (IBZ) in Fachsenfeld soll an die Kriegsjahre erinnern und eine Mahnung für die junge Generation sein; es soll aber genau so ein Ort lebendiger Brauchtumspflege und der Gemeinschaft sein. „Die Tische von einst sind weg, die kleinen Stühlchen auch. Das alte Schulgebäude der Reinhard-von-Koenig-Schule in Fachsenfeld hat einen neuen Auftrag: „Völkerverständigung“ (Schwäpo)
Am 11. Dezember 2011 fand die offizielle Eröffnung und Einweihung statt. Rosina Reim, 1. Vorsitzende der Gemeinschaft Wischauer Sprachinsel e.V., bedankte sich sehr herzlich bei der Stadt Aalen für die zuverlässige Patenschaft. In unserer modernen und schnellen Gesellschaft rückt die Bedeutung eines Ortes wie diesen gerade jetzt in den Mittelpunkt für unsere Erinnerungsgeschichte In unseren Räumen haben in Zukunft viele Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, an der wachgehaltenen Heimatkultur- und -geschichte teilzunehmen und mit uns eine längst vergangene Welt zu entdecken.
Die Wichtigkeit dieses zentralen Ortes stellt Rosina Reim in drei Punkten heraus:
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Für uns ist die Erinnerung wichtig, denn wie sagte schon der deutsche Schriftsteller Jean Paul: „Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“. Unsere zusammengeführten Objekte und heimatlichen Gegenstände helfen, die Erinnerung an unsere Sprachinsel wach zu halten. Hier finden alle Besucher stets einen Ort, eine Geschichte oder einen Menschen irgendwo aus ihrer Nähe - sei es die Nähe der Sprachinselmenschen oder die Nähe der Menschen, die heute bei, mit oder unter uns leben.
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In Fachsenfeld haben wir Platz, um alle gesammelten Objekte und Unterlagen zentral zu lagern. Auch das Depot ist hierin integriert. In Zukunft kann hier jederzeit und in vielen Richtungen Auskunft über die Sprachinsel gegeben werden, über das Leben der Menschen, ihre Geschichte, Ihre Tracht und die Vertreibung. Wir werden auch in Zukunft die Geschichte der ehemaligen deutschen Sprachinsel bei Wischau durch die neuen Medien in die Welt hinaustragen, um möglichst viele Menschen zu informieren.
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Der Einsatz für Frieden, Freiheit und Verständigung zwischen den Völkern auf der Grundlage der Wahrheit und Gerechtigkeit soll auch weiterhin unser erklärtes Ziel bleiben. Wir Wischauer engagieren uns und kämpfen mit bescheidenen Mitteln, weit weg von der großen Politik, für unser genanntes Ziel, denn viele kleine Schritte ergeben schließlich auch ein großes Ganzes. Was 1945/1946 geschah, darf oder vielmehr sollte nie mehr passieren.
Zur Eröffnung konnten sich diejenigen Besucher, die sich mit uns für oben genanntes Ziel identifizieren, in ein vorbereitetes Band eintragen. Am Schluss des Festes zählten wir 8 m Unterschriften für Frieden, Freiheit und Verständigung.
Als „Patenonkel“ der Wischauer betonte der Oberbürgermeister der Stadt Aalen, Martin Gerlach, in seinem Grußwort, dass das Zentrum eines der „dunkelsten Kapitels Europas“ nicht in Vergessenheit geraten lasse. An den Wischauern schätze er die Art, wie sie sich für Völkerverständigung und Versöhnung einsetzen. Er ging nochmals auf die gemeinsame Reise in die Sprachinsel im Jahre 2010 ein und gab seiner Freude Ausdruck, welche Herzlichkeit ihm in den Dörfern der ehemaligen Sprachinsel entgegen gebracht wurde und wie er die Arbeit seiner „Wischauer Patenkinder“ in ihrer ehemaligen Heimat schätze.
Die Türe der Schule stehe weit offen, erklärte Rektorin Ute Hajszan. Hier im Zentrum könnten die Kinder etwas erfahren über Tradition, Rituale, Werte und Heimatverbundenheit der Wischauer. Diese Zusammenarbeit ist ein weiterer guter und positiver Gedanke dieses Zentrums.
Das alte Schulhaus, freute sich Ortsvorsteher Jürgen Opferkuch, Fachsenfeld, sei die richtige Lösung gewesen für diese „Herberge“ und den Ort der Begegnungen.
Der Ehrenvorsitzende der Wischauer, Josef Legner, blickte zurück in die Jahre der Vertreibung – danach sei Aalen und Umgebung Zentrum und Heimat für 970 Wischauer aus der ehemaligen Sprachinsel bei Wischau in Mähren geworden. Die Integration ist im Laufe von Jahren gut gelungen und bei der Eröffnungsfeier konnten sich viele „Einheimische“ an die „neuen Bürger von damals“ erinnern. Negatives war nicht zu hören.
Nach dem Wischauer Lied „Heimat ist nicht nur ein Land“ wurden die neuen Räume vom katholischen Pfarrer Hans-Dieter Retzbach und dem evangelischen Pfarrer Wolfgang Gokenbach eingeweiht. „Segne dieses Haus, das neue Heim der Wischauer Sprachinselgemeinschaft, behüte und beschütze alle, die hier ein- und ausgehen. Lass es wirklich zu einem Ort, zu einer Insel der Geborgenheit und Heimat werden, wo sich alle wohlfühlen und zu Hause wissen dürfen ….“
Bei der gut besuchten Eröffnungsfeier wurden die Besucher mittels 20 großen Fototafeln in der Aula der Reinhard-von-Koenig-Schule über die Sprachinsel informiert. Eine maßstabgerechte Nachbildung eines Bauernhauses und ein typischer „Sölder“ (Vorbau eines Sprachinselhauses) als Raumteiler in einem der Wischauer Räume lassen sofort erkennen, wo man sich befindet.
Neben den neuen Einrichtungsgegenständen wurde auch das gut sortierte und perfekt eingerichtete Depot vorgestellt. Die vielen Trachtenstücke sind fein säuberlich sortiert, in säurefreies Papier eingewickelt und in einer 8,5 m breiten und 3,00 m hohen Schrankwand deponiert. Eine Gefriertruhe sorgt dafür, dass alle neuen Stücke zuerst schockgefroren werden, um Ungeziefer fern zu halten. Vier Alben mit „1000 Sterbenachweisen aus der Sprachinsel, Sammlungen über Stoffmuster und Stoff-Bänder, Muster von Archivierungen alter Dokumente und Presseordner“ gaben dem Besucher Einblick in die laufenden Arbeiten.
Die kleine, neu angelegte Bibliothek konnte ebenfalls besichtigt werden. Sie finden hier u.a. alte Chroniken der ehemaligen Sprachinseldörfer, sudetendeutsche Geschichte und Bücher, die aus der ehemaligen Bibliothek in Gundrum, eines der acht Sprachinseldörfer, stammen. Diese sollten im Jahre 1945 verbrannt werden und lagen bereits auf einem Haufen, doch eine Dorfbewohnerin hat die Bücher gerettet und aufbewahrt. Im Jahre 2011 wurden sie an Rosina Reim übergeben mit der Maßgabe, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
In unserer Präsenzbibliothek sind u.a. viele alte Gebetbücher ab dem Jahre 1809 ausgestellt. Ausleihen können zurzeit noch nicht vorgenommen werden, weil die gesamten Bücher und Chroniken noch archiviert werden müssen. Das „gute Geschirr“ konnte in einer Glasvitrine ebenfalls besichtigt werden.
Wir Wischauer freuen uns über dieses neue Zentrum sehr und würden uns auch über Besuche und Interessenten freuen. Melden Sie sich und kommen Sie zu uns, wir stellen Ihnen unseren Wischauer Mittelpunkt gerne vor.
Rosina Reim